Kreativtreffen an der Ruhr

ruhr
Schön war’s. Am 21.07.2016 haben wir die Gelegenheit genutzt und ein wunderbares Kreativtreffen unter freiem Himmel am Ruhrufer erleben dürfen. Grillmeister Uli hat seinem Lachs ordentlich eingeheizt und auch die mit Spicetrails gesprenkelten Kartoffeln wurden schmackhaft unter ihren verschwörerischen Aluhüten gebrutzelt. Das war eine tolle Stärkung (pun intended) für unser kreatives Schreiben!
Ein bischen Orgakram gab es auch durchzududeln, aber vor allem wurde relaxt, gesonnt, gebadet, geschlemmt, po(e)siert, getrunken und geschrieben, bis der Füller raucht.

Einen schönen Ausklang bildete die abschließende Schreibrunde, bei der Uli, Calvin und Philipp zunächst sieben Minuten jeweils frei einen Text zum Thema „Ruhrtopia“ schrieben. Dann nannten alle drei jeweils ein Wort, das in den folgenden sieben Minuten, während der eigene Text weitergeschrieben wurde, in allen Texten auftauchen musste. Man „durfte“ also immer drei neue Wörter einbauen und hatte insgesamt sieben Minuten Zeit, um den eigenen Text mit Hilfe dieser ausnahmslos großartigen Wörter und jeder Menge anderer Inspirationen weiterzuschreiben. Wir haben dreimal reihum drei neue Wörter vorgegeben, jeder immer eins, so dass es mit der ersten freien Runde insgesamt viermal sieben Minuten Schreibzeit und neun krasse Einbauwörter ergab.

Danach haben wir uns die Texte vorgelesen, gestaunt, gelacht und uns diese typischen „Mission accomplished!“-Blicke zugeworfen. Es war wirklich sehr spaßig und man hat eine Menge Einsichten über das eigene Schreiben gewonnen.

Die neun Wörter der Reihenfolge nach:
1. Atomkrieg
2. Bauhelm
3. Schwefelsäure
4. schwarz bzw. Schwarz
5. Chromosomenlegastheniker
6. Marl-Hüls
7. Aura
8. Kontrollverlust
9. erblicken

Hier für Euch Ulis und Philipps Texte mit dem Titel „Ruhrtopia“ aus der Schreibrunde:

Ulrich Schröder

Ruhrtopia

Die Burg Blankenstein im Abendgrauen – noch steht sie, bröselt vor sich hin bei 36 Grad im Schatten. Mutantenmücken tanzen auf dem sich zeitlupengleich flußabwärts schiebenden Ruhrwasser, in dem man wieder schwimmen kann, seitdem die Schwerindustrie in andere Erdteile ausgeflogen worden ist. Bald schon soll es hier Dengue-Fieber geben, gegen das man sich nicht impfen lassen kann. Atomkriege werden überbewertet.

Vor wenigen Jahrhunderten noch wurden hier Lastkähne den Fluß hinabgetreidelt. Was wird morgen die Ruhr hinuntertreiben? Im Abendgrau schlendre ich das Ufer entlang. Ein verrotteter Bauhelm wogt in den kurzen Wellen. Irgendwo flußaufwärts soll es einst eine Schwefelsäurefabrik gegeben haben. Manches gehört zu den Akten gelegt – zurecht. Warum aber soll im Ruhrgebiet bis 2018 auch noch die allermodernste letzte Zeche schließen? Man könnte meinen, bei der Zukunftsplanung dieser Region wären Chromosomenlegastheniker am Werk gewesen, die den Wert des Schwarzen Goldes nicht zu schätzen wissen. Nur Trümmer haben sie hinterlassen – verwesende Schlote von Hagen-Haspe bis Marl-Hüls.

Aber ich schweife ab. Jetzt gerade ist Sommer und die Menschen vergnügen sich beim Industrietrümmer-Beachvolleyball am Ruhrufer. Eine Mittfünfzigerin lacht möwenartig sinnfrei – völliger Kontrollverlust im Uferschlamm des Mainstreams der Spaßgesellschaft. Noch einmal wende ich kurz vor Sonnenuntergang meinen Kopf gen Burg auf dem anderen Ruhr-Ufer – und erblicke die verlöschende Aura einer verschwindenden Zeit. Utopieverlust – endlich.

 

Philipp Dorok

Ruhrtopia

Eingequetscht in Bochum, Witten,
Mülheim, das ist unbestritten,
Fröndenberg und Duisburg auch,
so bist Du wie ein Wasserschlauch,
doch ganz und gar nicht wie ein Flummi,
bist ohne Hüpfer, ohne Gummi.
Um die A40 zu entlasten,
beschlossen die Konzernphantasten,
nachdem Sie sich mit Technokraten
und Lobbyisten gut beraten,
Dich ganz und gar voll zu entwässern,
um den Verkehrsfluss zu verbessern.
Auch wenn’s der Logik doch entbehrt,
hamse die ganze Ruhr geteert,
gewalzt, geschottert, asphaltiert,
begradigt und auch betoniert.

Es ging wie im Atomkrieg zu,
gesprengt, planiert und platt im Nu.
Der Bauhelm sitzt, der Hammer fällt,
die Autobahn kommt wie bestellt
und gräbt sich wie die End-Muräne
durch die Welt der Ruhrdomäne.

Wie Schwefelsäure brennt der Fluss,
weil er das Grün wegätzen muss,
und Grau und Schwarz sind nun die Farben,
die alle Deine Auen haben.
Doch, haltet ein, Ihr Teerzeloten,
Ihr Bulldozer-Asphalt-Chaoten,
Chromosomenlegasthenikerpack!
Echt getz ma, wat soll der Kack!?
Marl-Hüls ist Asche, Ruhrort tot,
selbst Stiepel leidet größte Not,
seht Ihr denn nicht, Ihr Abriss-Birnen,
Betonschädel mit Schrumpfgehirnen:
Wir brauchen nicht mehr Autobahnen!
Wir sollten lieber anders planen.

Dies Projekt ist Euch entglitten,
so ist es denn auch unbestritten:
Die A4000 und ihr Bau,
sie sorgten nur für noch mehr Stau!
„Aura des Erfolges“? – Nein!
Das kann nur eine Phrase sein.
Der Ruhrspeedway erzeugt nur Frust,
bloß Rage und Kontrollverlust,
erblickt man vor sich Blechlawinen,
Rollsplitt, Warnlicht, Baumaschinen.
Die Autobahn habt Ihr verbreitert,
schwarzgraue Netze stets erweitert,
gesponnen, wer den größten Schneid hat,
doch dies Ruhrtopia ist gescheitert.

Read&Roll an der RUB mit Micha-El Goehre und Tobias Keller

Die Gruppe Treibgut – Literatur von der Ruhr lädt am 1. Juni ab 20 Uhr unter dem Motto Read&Roll ins KulturCafé der Ruhr-Uni Bochum ein. Den RUB-Beton erzittern lassen will Micha-El Goehre, Jahrgang 1975, der als Autor, Poetry Slammer, DJ und Moderator in Essen lebt. Er ist regelmäßig auf Lese- und Poetry-Slam-Bühnen in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Belgien und der Schweiz zu sehen. Bisher hat er acht Bücher veröffentlicht, zuletzt die Textsammlung „Wenn das Leben kein Ponyhof ist, warum liegt dann Stroh in der Ecke?“ Zu seinen bekanntesten Veröffentlichungen gehört der Heavy-Metal-Roman „Jungsmusik“ und die gleichnamige Kolumne, die er unter anderem auf dem „Break the ground“, den „Hamburg metal dayz“ und dem „Wacken open air“ vorgestellt hat. Als Poetry-Slammer hat er bisher über 150 dieser Dichterwettbewerbe gewonnen und ist als Moderator u.a. für den Slam „Krawall + Zärtlichkeit“ in Essen verantwortlich. Seit 2005 hat er sich jedesmal für die deutschsprachigen Slam-Meisterschaften qualifiziert.

Ebenfalls zu Gast ist Tobias Keller, der seinen im Januar 2016 bei dtv erschienenen satirischen Pädagogen-Roman „Morgens leerer, abends voller“ vorstellen wird: „Bei Fabian Dreher, 28 und Lehrer, läuft’s gerade gar nicht rund. Seine Freundin Tine kehrt früher als geplant von ihrem Selbstfindungstrip aus Mexiko zurück: als Radikal-Veganerin mit radikalem Kurzhaarschnitt und ›Poseidon‹ im Gepäck, einem arroganten, fetten Kater. Und dann diese Wette mit Erzfeind Frühling: Im Vollsuff hat Fabian mit seinem Lehrer-Kollegen gewettet, in der Lernstandserhebung mit seinen Schülern besser abzuschneiden. Hier geht es nicht nur um die Ehre, sondern auch um Fabians Auto, seinen Job und die Verbeamtung. Und nicht zuletzt um Fabians schwierige – äh, besondere – 9a, mit der er sich durch die bekloppte Wette in eine fatale Abhängigkeit begeben hat.“ (www.dtv.de)

Weitere studentische Gast-Autoren widmen sich in kurzen Beiträgen unter dem Motto „Ruhrtopia“ der Zukunft der Ruhr-Region, und nicht fehlen darf natürlich die Treibgut-Crew selbst: Ihre aktuellen Projekte live auf die Bühne bringen werden Calvin Kleemann und Caroline Königs, die ihren 2015 im Ruhrliteratur-Verlag erschienenen Roman „Die verlorene Räson“ vorstellen wird. Die Moderation übernehmen Rock-Literat Marek Firlej und Slammerin Felicitas Friedrich.

Mittwoch, 1. Juni 2016, 20:00 Uhr
KulturCafé der Ruhr-Uni Bochum, Universitätsstr. 150
(Nähe Musisches Zentrum)
Eintritt: 2 Euro
Kategorie: Lesung

Goosen goes Treibgut

Das KulturCafé platzte aus allen Nähten, als Ruhrpott-Star Frank Goosen 2004 erstmals die Treibgut-Bühne enterte. Der auch als Autor erfolgreiche Satiriker trat seinerzeit nach dem verfilmten Debut Liegen lernen (2001) mit seinem zweiten Roman Pokorny lacht (2003) auf den Plan, wo er die vermeintliche Unvereinbarkeit von Uni-Politik und einem ironisch gebrochenen Künstler-Dasein aufs Korn nimmt: Mit der Parodie einer Wahlauszählung zum Studierendenparlament erschütterte Goosen das Zwerchfell des Publikums…

Zuletzt hat sich Frank Goosen, der inzwischen dem Vereinsvorstand des VfL Bochum angehört, verstärkt dem Fußball verschrieben: „Fußball, das ist reales Leben hoch vier, da zählt nur die Wahrheit“, heißt es im aktuellen Blog-Text auf www.frankgoosen.de unter dem Titel „Wo spielte Ché?“ Seine „Geschichten von hier“ spiegeln – wie sein Blog – oft realsatirisch die Tücken des Ruhrpott-Alltags:

Im wirklichen Leben habe ich offenbar eine leicht hysterische Ader, die meine Umwelt glauben lässt, ich rede nur Blödsinn. Dass ich vor fast dreißig Jahren mal einen Ford Taunus hatte, bei dem ich den Schaltknüppel während der Fahrt abnehmen konnte, so dass man an der Antriebswelle vorbei auf den unter dem Wagen wegrollenden Asphalt blicken konnte, sorgt auf der Bühne zuverlässig für Lacher; im realen Leben heißt es: ‘Ach komm, hör auf!‘

Gerade das macht ihn aus, den Satiriker-Fels in der Ruhr-Brandung, der am 4. November das Treibgut-Team verstärken wird. Von den Uni-Literaten werden Ruhrpiranha Uli Schröder, Philipp Dorok (Moderation), Felicitas Friedrich, Caroline Königs und Antonia Stoodt dabei sein.

Wegen des erwartbaren Ansturms auf die zum KulturCafé-Spezialpreis von drei Euro erschwinglichen Karten läuft derzeit ein Vorverkauf im AStA-KulturCafé sowie beim AKAFÖ-Kulturbüro Boskop (Sumperkamp 9 – 15).

Anpfiff: Mittwoch, 4. November, 20:00 Uhr (Einlass ab 19:00 Uhr)
Spiellokal: KulturCafé, Ruhr-Uni Bochum, Universitätsstraße 150 (hinterm Musischen Zentrum)
Eintritt: 3 Euro

Rauf auf die Offene Bühne

Am 12. Mai machen wir wieder im KulturCafé Station. Mit dabei ist auch Theresa Hahl mit ihren wunderbaren Texten, und auch ihr könnt dabei sein, nicht nur im Publikum, sondern auf der Bühne. Meldet euch unter treibgut(at)lists.rub.de oder über Facebook.FlyerVornObü2015

Die nächsten Monate

Im Sommersemester stehen gleich mehrere Veranstaltungen an.

Am 28. April setzen wir unsere Lesebühne Schriftbruch in der Bar Neuland (Rottstraße 15) fort.

Am 12. Mai begrüßen wir im KulturCafé nicht nur Slam-Poetin Theresa Hahl, sondern bitten auch weitere – jetzt noch unbekannte – Gäste auf die Offene Bühne. Auch Ihr könnt mitmachen, meldet Euch einfach.

Das gilt auch bei unseren Lesungen zum RUB-Jubiläum. Bei der BlauPause am 6. Juni haben auch wir ein paar Tische auf der gesperrten Universitätsstraße (etwa auf Höhe Steinring) gepachtet, um uns und die BesucherInnen zu unterhalten.

Bald mehr dazu hier.

Parallel geht natürlich auch die Schreibwerkstatt weiter.

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Neuer Text online: Felis „Diese Liebe …“

Ich hab’ sie gefühlt, diese Liebe, von der immer alle sprechen.

Sie hat mich grob ins Gesicht gepeitscht in der Gestalt von Hagelkörnern in einem fiesen Herbstorkan.

Doch bald darauf hat sie mich schon wieder gestreichelt, sanft, mit rauen, aber wohlwollenden Händen,

sie hat mich umschmeichelt gleich einer weichen Daunendecke, hat mich auf ein Bett aus Geborgenheit gelegt, in Arme, die mir bestätigen, dass alles gut wird.

Ich hab’ sie gefühlt, diese Liebe, von der immer alle sprechen, denn sie hat mich wachgeküsst.

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